Spurensuche

Schlaglicht aus der Spurensuche – ein Briefwechsel in Auszügen

Jim Klein an Wolfgang Widder:

„Ich habe eine Bitte, bei der Sie mir vielleicht helfen können. …. In der Kristallnacht kamen Jugendliche in das Haus meiner Großeltern, bedrohten sie und zerstörten ihre Möbel. Danach besuchte dieser junge Mann meine Großeltern, um ihnen sein Entsetzen über das, was ihnen widerfahren war, mitzuteilen. Bei dieser Gelegenheit – oder vielleicht auch bei einer anderen – begrüßte er meine Großeltern in der Straßenbahn, vermutlich auch unter Gefahr für sich selbst. Diese einfachen Gesten der Freundschaft und Menschlichkeit bedeuteten ihnen und meinem Vater so viel. Mitte bis Ende der 1990er Jahre gelang es meinem Vater mit Hilfe meiner Cousine Wilma, über die damaligen Besitzer der Apotheke eine Verbindung zu diesem Mann herzustellen. Der Mann wohnte nicht mehr in Walldorf, sondern lebte mit seiner Tochter, ich glaube, in einer Stadt nicht allzu weit von Walldorf entfernt. Leider kenne ich den Namen des Mannes nicht und kann die Korrespondenz, die mein Vater von ihm erhalten hat, nicht finden. Es ist möglich, dass der Vorfall in einem der Briefe meiner Großeltern an meinen Vater erwähnt wird (so hat mein Vater davon erfahren). Aber meine Großeltern benutzten in ihren Briefen an meinen Vater oft Codewörter, um die Identität der Personen zu schützen, über die sie schrieben. Natürlich muss der Mann inzwischen verstorben sein. Aber wenn irgendjemand in Walldorf die Familie kennt, auf die ich mich beziehe, und eines der Kinder oder Enkelkinder des Mannes kontaktiert werden kann, wäre es sicherlich nett, sie zu einer Veranstaltung im Juli einzuladen.“

Widder fragte Dieter Astor, der dem nachging und antwortete:

„Mein 92-jähriger Nachbar Helmut Weisbrod meint, dass Rechenberg(er) Riemensperger heißen muss. Direkt neben der Alten Apotheke wohnte damals der Schreiner Ludwig Riemensperger (geb. 1910, gest. 1990). Er könnte der junge freundliche Mann in der Walldorfer Straßenbahn gewesen sein. Ludwig Riemensperger war ein überzeugter Sozialdemokrat, der seiner politischen Einstellung auch in der Nazi Zeit treu blieb. Dies hat mir auch meine 92-jährige Schwester Margot bestätigt,die mit seiner ältesten Tochter Maja bis zu deren Tod befreundet war. Von den drei Töchtern Maja Valouch, Elfiede Kaltenmaier lebt nur noch Erika Hoffmann, die 1937 geboren ist. Von ihr habe ich erfahren, dass ihre Schwester Elfriede nach dem Pogrom jüdische Nachbarn mit Gas-Marken versorgte. Zudem hat mir heute Elfriedes Tochter Waltraud mitgeteilt, dass ihre Mutter für alte Juden einkaufte und ihr Urgroßvater Peter Riemensperger, der im Hochholzer Weg eine Glaserei hatte, nach dem Pogrom Juden nachts heimlich eingeschlagene Fenster reparierte.“